19.5.14

Ngauruhoe



Tongariro-Massiv mit "aufgesetztem" Ngauruhoe

Wie spricht man das eigentlich aus, frage ich die Herbergsmutter des Holiday Park in Taumarunui (wie man das ausspricht, weiß ich schon). Ngaddu-Hoä! Ist die Antwort. Das N-G wie am Ende von "Achtung", Betonung auf hoä. Ein durchaus klangvoller Name, wie nicht alles hier, siehe unten. Nach einer spätabendlichen Fahrt vom Westen ins Inland der Nordinsel auf dem Forgotten World Highway gibt's guten Schlaf. Am nächsten Morgen Abfahrt um 7 Richtung Süden, National Park heißt der Ort. Dort wartet der Aschekegel, dessen Ruf schon beim Vorbeifahren im Januar gut vernehmlich war.

Vor ein paar Jahren als "Mount Doom" tituliert im Rahmen einer misslungenen NZ-Doku über alberne Rüstungen, geschmacklosen Fingerschmuck und sprechende Schlachtabfälle, ist dieser Berg doch der prototypische Vulkan. Ein Kegelstumpf aus Asche und Schlacke, viele hundert Meter hoch. Vor 39 Jahren zuletzt umfangreich erumpiert und mit 2287 Metern die Nummer 3 auf der Nordinsel, ist er frei von jeglicher Vegetation. Man erreicht ihn am schnellsten vom westlichen Ende des Tongariro Crossings, der vielleicht besten Tageswanderung auf der Insel. Weil ich heute nur sozusagen auf der Durchreise bin und mir das Wetter nicht aussuchen kann, wird selbstverständlich Regen serviert. Dieser peitscht gerade auf den Mietwagen am Mangatepopo Trailhead ein als ich mich entschließe, dass die Tour trotzdem gemacht wird. Also Regenkutte an und los. Im Gegensatz zum Taranaki-Aufstieg sind die ersten 6km nur sehr mäßig ansteigend und voll von Wandersleuten, die gerade unter sich ausmachen, wer wohl am langsamsten den Berg hoch kommt. Widerwillig verlasse ich desöfteren den präparierten Weg um vorwärtszukommen, ich habe ja heute noch was vor.

Ngauruhoe ist ein parasitärer Nebenschlot des Tongariro, kein eigenständiger Vulkan. Und das, obwohl er viel deutlicher definiert und 300m höher ist. Er wirkt aber tatsächlich wie aufgesetzt auf seinen "Wirtsberg". Am South Crater zweigt die Aufstiegsroute zum Ngauruhoe vom Hauptweg ab. Die üblichen Personenschaden-Warnungen incl. loser Steine, die gern mal geflogen kommen, losgetreten von Leuten weiter oben. Wird heute wohl eher nicht das Problem sein. Mein Plan ist bis hierher nicht aufgegangen. Die Regenwolkendecke ist deutlich dicker als die 400m, die seit dem Parkplatz überwunden wurden. Dort war ungefähr die Wolkenuntergrenze. Das wars dann wohl. Ohne Kompass, den ich natürlich mal wieder vergessen habe, kann ich das sein lassen mit dem weiteren Aufstieg. Es secht auch fröhlich weiter. Unschlüssig stehe ich noch an der Weggabelung rum, als jemand zielstrebig an mir vorbeistiefelt, Richtung Gipfel. Immerhin, es sind noch 600 Höhenmeter bis hoch, also nicht ganz abwegig dass der Gipfel rausguckt. Das
Problem ist der Nebel auf dem Weg dorthin. Keine Chance zur Orientierung. Ein Abstieg vom symmetrischen Konus in leicht geänderter Richtung würde wer weiß wo enden. Hier kommt nicht alle paar Meter eine Straße oder ein Wanderweg. Das Wurstblatt vom DOC sagt, vom Südkrater den Pfählen bis zum losen Schlacke-Hang folgen (schon wieder Scoria mit erhöhtem Wühlfaktor). Ab da eigenen Weg finden und denselben Weg wieder runter. Sehr gut. Wohlan, bis zum Ende der Markierungen mach ich das noch mit, weil relativ sicher.

Nach ein paar Minuten sehe ich den Kerl von vorhin am Hang. Es folgt ein Gespräch. Sein Elan ist verpufft. Er ist aus Spanien, hat GPS und eine seltene Phobie vor losem Untergrund. Kombiniert mit meiner Machbarkeitsvermutung und Phobie vor Orientierungslosigkeit ergibt sich trotzdem ein knapper Weitermach-Mix. Wir machen also weiter.

Nach anderthalb Stunden auf losem Geraffel verschiedenster Farben (komischerweise vor allem schwarz, rot und gelb) sehe ich plötzlich meinen Schatten scharf umrissen vor mir auf dem Hang. Die Temperatur schnellt nach oben. Ich blicke auf und mir wird fast schwindelig. Eine Wolkenlücke zeigt freien Blick Richtung Nordosten. Allzuviel ist gar nicht zu sehen, aber das bisschen genügt um zu wissen: wir sind sehr sehr weit ausgesetzt hier. Das Stück Erdboden unter uns scheint frei im Raum aufgehängt (schief) und umgeben, linksrechts, obenunten, von lauter umwölktem Nichts. Die Lücke schließt sich bevor die Knipsmaschine draußen ist. Aber der Anstieg wird flacher, bevor noch einmal 50 Meter Steilheit angesagt sind. Dann ist plötzlich Schluss. Der Höhenmesser sagt wir sind oben. Vor mir ein senkrechter Abgrund, der sich im Nebel verliert. Das muss der Krater sein.

Rote Scoria am Höllenschlund: Kraterrand des Ngauruhoe

Heute fehlt die Begeisterung, stundenlang auf dem Berg zu sitzen. Stattdessen Entgeisterung über nicht an die klammen Hände zu kriegende Handschuhe. Den einen kriege ich noch bis auf die halb 8 - Position gezerrt, den anderen nicht mal auf 7 Uhr 1. Die verfügbaren Handfunktionen sind aktuell nur: auf, zu. Mehr geht nicht. Für das brauche ich dann eigentlich auch keine Handschuhe mehr, denke ich. Sir Ed wäre begeistert. Mountaineering it ain't. Zeit für den Abstieg.


Mein Bergkamerad hat Bammel. Kein fester Halt unter den Füßen auf steilen Hängen macht ihn fertig. Bergab noch viel mehr als bergauf. Ich bin an seiner Misere schuld, denn ohne mich wäre er gar nicht hier. Der ganze Hang besteht leider aus losem Schutt, zurück geht nur darüber. Ich sage ihm dass das alles nur scheinbar Mist ist. Viel Heidewitzka gepaart mit immenser Zeitersparnis, das wirste gleich erleben. Das "Abgleiten" auf dem Geröll ist 1. hochgradig berechenbar, 2. Voraussetzung für Hangrunterrennen mit Riesensätzen und macht 3. einen viehischen Spaß, erwachsensein hin oder her. Voraussetzung ist ein homogener Schutthang wie der hier vorhandene. Jetzt endlich macht es sich bezahlt, das konsequente Bergtraining im Vorschulalter auf diversen Splitthaufen und Kieshalden, was meist nicht gern gesehen wurde. Im Idealfall rühren die Beine gleichmäßig im Gestein, während man behende abwärts surft. Große Klasse. Der Andere sieht das ähnlich, als wir nach einer Viertelstunde wieder unten ankommen. Das war zu erwarten. Meine "Schuhe" (Made in Ratemal) sind jetzt vollends Schrott nach nur 2 Vulkanen. Taranaki hatte schon für erheblichen Verschleiß an den Sohlen gesorgt. Jetzt sind sie hin und die Socken umgeben von lauter kleinen Steinchen, die es von unten durchgepresst hat. Aber das wars wert.
Tongariro-Südkrater unter Wolkengebräu

Blick aus dem Tongariro-Südkrater Richtung SO. Bemerkenswerte
Ähnlichkeit in der Stimmung zu Spitsbergen obwohl so ziemlich
in jeder Beziehung anders.

Wir kommen wieder unten am Südkrater an, und die Sonne kommt raus. Wir entscheiden uns dagegen, gleich noch mal hochzusteigen. Das würde an Verbissenheit grenzen. Zumal der Gipfel störrisch in den Wolken verharrt. Stattdessen spazieren wir noch ein Stück den Hauptweg weiter, durch den Tongariro-Südkrater und steigen mal die ca. 200m zu dessen Rand auf. Von da sehen wir tatsächlich kurz den Ngauruhoe-Gipfel, auf dem wir gerade gestanden haben. Schöner Anblick. Gut genug, noch mal wiederzukommen.

Na gut, dann guck ich mal kurz raus: Ngauruhoe vom
Tongariro aus gesehen. Aufstiegsroute rechts der Bildmitte.

4 Kommentare:

Gunter Eisenach hat gesagt…

Sehr schöne Aufnahmen!

Könnten Sie sich einmal bitte bei mir wegen eines Anliegens melden?

Schöne Grüße
Gunter Eisenach

Ichthyander Schulze hat gesagt…

Die Aufnahmen sind Schrott.
Was ist das Anliegen?

Gunter Eisenach hat gesagt…

Hat sich schon erledigt! Danke trotzdem!

Ichthyander Schulze hat gesagt…

Gerne.