18.6.14

Eine Legende verschwindet

Nach all den Jahren: Schluss, fertich, aus, abhaun:


Gehasst, gefürchtet und doch immer da wenn nichts anderes mehr geht und man abends noch weg muss und nicht selbst hinterm Lenkrad pennen will. Langsam unheimlich, wie tief der Verkehrsbrunnen, an dessen Grund Dunedin sitzt, mittlerweile ist. 

Nicht dass es Alternativen gäbe.
Air NZ
















Der Kiwi sagt: We love our cars.

Selbst stinkende Faulheit gepaart mit unterirdischer Einfalt ist hier was positives. Und andere badens aus. 6, setzen. Feststellung am Rande: Spritpreisgeflenne ist unabhängig vom Spritpreis.

Die Öffis habens richtig schwer hier. Sie haben eben keine prominenten Fürsprecher.

19.5.14

Ngauruhoe



Tongariro-Massiv mit "aufgesetztem" Ngauruhoe

Wie spricht man das eigentlich aus, frage ich die Herbergsmutter des Holiday Park in Taumarunui (wie man das ausspricht, weiß ich schon). Ngaddu-Hoä! Ist die Antwort. Das N-G wie am Ende von "Achtung", Betonung auf hoä. Ein durchaus klangvoller Name, wie nicht alles hier, siehe unten. Nach einer spätabendlichen Fahrt vom Westen ins Inland der Nordinsel auf dem Forgotten World Highway gibt's guten Schlaf. Am nächsten Morgen Abfahrt um 7 Richtung Süden, National Park heißt der Ort. Dort wartet der Aschekegel, dessen Ruf schon beim Vorbeifahren im Januar gut vernehmlich war.

Vor ein paar Jahren als "Mount Doom" tituliert im Rahmen einer misslungenen NZ-Doku über alberne Rüstungen, geschmacklosen Fingerschmuck und sprechende Schlachtabfälle, ist dieser Berg doch der prototypische Vulkan. Ein Kegelstumpf aus Asche und Schlacke, viele hundert Meter hoch. Vor 39 Jahren zuletzt umfangreich erumpiert und mit 2287 Metern die Nummer 3 auf der Nordinsel, ist er frei von jeglicher Vegetation. Man erreicht ihn am schnellsten vom westlichen Ende des Tongariro Crossings, der vielleicht besten Tageswanderung auf der Insel. Weil ich heute nur sozusagen auf der Durchreise bin und mir das Wetter nicht aussuchen kann, wird selbstverständlich Regen serviert. Dieser peitscht gerade auf den Mietwagen am Mangatepopo Trailhead ein als ich mich entschließe, dass die Tour trotzdem gemacht wird. Also Regenkutte an und los. Im Gegensatz zum Taranaki-Aufstieg sind die ersten 6km nur sehr mäßig ansteigend und voll von Wandersleuten, die gerade unter sich ausmachen, wer wohl am langsamsten den Berg hoch kommt. Widerwillig verlasse ich desöfteren den präparierten Weg um vorwärtszukommen, ich habe ja heute noch was vor.

Ngauruhoe ist ein parasitärer Nebenschlot des Tongariro, kein eigenständiger Vulkan. Und das, obwohl er viel deutlicher definiert und 300m höher ist. Er wirkt aber tatsächlich wie aufgesetzt auf seinen "Wirtsberg". Am South Crater zweigt die Aufstiegsroute zum Ngauruhoe vom Hauptweg ab. Die üblichen Personenschaden-Warnungen incl. loser Steine, die gern mal geflogen kommen, losgetreten von Leuten weiter oben. Wird heute wohl eher nicht das Problem sein. Mein Plan ist bis hierher nicht aufgegangen. Die Regenwolkendecke ist deutlich dicker als die 400m, die seit dem Parkplatz überwunden wurden. Dort war ungefähr die Wolkenuntergrenze. Das wars dann wohl. Ohne Kompass, den ich natürlich mal wieder vergessen habe, kann ich das sein lassen mit dem weiteren Aufstieg. Es secht auch fröhlich weiter. Unschlüssig stehe ich noch an der Weggabelung rum, als jemand zielstrebig an mir vorbeistiefelt, Richtung Gipfel. Immerhin, es sind noch 600 Höhenmeter bis hoch, also nicht ganz abwegig dass der Gipfel rausguckt. Das
Problem ist der Nebel auf dem Weg dorthin. Keine Chance zur Orientierung. Ein Abstieg vom symmetrischen Konus in leicht geänderter Richtung würde wer weiß wo enden. Hier kommt nicht alle paar Meter eine Straße oder ein Wanderweg. Das Wurstblatt vom DOC sagt, vom Südkrater den Pfählen bis zum losen Schlacke-Hang folgen (schon wieder Scoria mit erhöhtem Wühlfaktor). Ab da eigenen Weg finden und denselben Weg wieder runter. Sehr gut. Wohlan, bis zum Ende der Markierungen mach ich das noch mit, weil relativ sicher.

Nach ein paar Minuten sehe ich den Kerl von vorhin am Hang. Es folgt ein Gespräch. Sein Elan ist verpufft. Er ist aus Spanien, hat GPS und eine seltene Phobie vor losem Untergrund. Kombiniert mit meiner Machbarkeitsvermutung und Phobie vor Orientierungslosigkeit ergibt sich trotzdem ein knapper Weitermach-Mix. Wir machen also weiter.

Nach anderthalb Stunden auf losem Geraffel verschiedenster Farben (komischerweise vor allem schwarz, rot und gelb) sehe ich plötzlich meinen Schatten scharf umrissen vor mir auf dem Hang. Die Temperatur schnellt nach oben. Ich blicke auf und mir wird fast schwindelig. Eine Wolkenlücke zeigt freien Blick Richtung Nordosten. Allzuviel ist gar nicht zu sehen, aber das bisschen genügt um zu wissen: wir sind sehr sehr weit ausgesetzt hier. Das Stück Erdboden unter uns scheint frei im Raum aufgehängt (schief) und umgeben, linksrechts, obenunten, von lauter umwölktem Nichts. Die Lücke schließt sich bevor die Knipsmaschine draußen ist. Aber der Anstieg wird flacher, bevor noch einmal 50 Meter Steilheit angesagt sind. Dann ist plötzlich Schluss. Der Höhenmesser sagt wir sind oben. Vor mir ein senkrechter Abgrund, der sich im Nebel verliert. Das muss der Krater sein.

Rote Scoria am Höllenschlund: Kraterrand des Ngauruhoe

Heute fehlt die Begeisterung, stundenlang auf dem Berg zu sitzen. Stattdessen Entgeisterung über nicht an die klammen Hände zu kriegende Handschuhe. Den einen kriege ich noch bis auf die halb 8 - Position gezerrt, den anderen nicht mal auf 7 Uhr 1. Die verfügbaren Handfunktionen sind aktuell nur: auf, zu. Mehr geht nicht. Für das brauche ich dann eigentlich auch keine Handschuhe mehr, denke ich. Sir Ed wäre begeistert. Mountaineering it ain't. Zeit für den Abstieg.


Mein Bergkamerad hat Bammel. Kein fester Halt unter den Füßen auf steilen Hängen macht ihn fertig. Bergab noch viel mehr als bergauf. Ich bin an seiner Misere schuld, denn ohne mich wäre er gar nicht hier. Der ganze Hang besteht leider aus losem Schutt, zurück geht nur darüber. Ich sage ihm dass das alles nur scheinbar Mist ist. Viel Heidewitzka gepaart mit immenser Zeitersparnis, das wirste gleich erleben. Das "Abgleiten" auf dem Geröll ist 1. hochgradig berechenbar, 2. Voraussetzung für Hangrunterrennen mit Riesensätzen und macht 3. einen viehischen Spaß, erwachsensein hin oder her. Voraussetzung ist ein homogener Schutthang wie der hier vorhandene. Jetzt endlich macht es sich bezahlt, das konsequente Bergtraining im Vorschulalter auf diversen Splitthaufen und Kieshalden, was meist nicht gern gesehen wurde. Im Idealfall rühren die Beine gleichmäßig im Gestein, während man behende abwärts surft. Große Klasse. Der Andere sieht das ähnlich, als wir nach einer Viertelstunde wieder unten ankommen. Das war zu erwarten. Meine "Schuhe" (Made in Ratemal) sind jetzt vollends Schrott nach nur 2 Vulkanen. Taranaki hatte schon für erheblichen Verschleiß an den Sohlen gesorgt. Jetzt sind sie hin und die Socken umgeben von lauter kleinen Steinchen, die es von unten durchgepresst hat. Aber das wars wert.
Tongariro-Südkrater unter Wolkengebräu

Blick aus dem Tongariro-Südkrater Richtung SO. Bemerkenswerte
Ähnlichkeit in der Stimmung zu Spitsbergen obwohl so ziemlich
in jeder Beziehung anders.

Wir kommen wieder unten am Südkrater an, und die Sonne kommt raus. Wir entscheiden uns dagegen, gleich noch mal hochzusteigen. Das würde an Verbissenheit grenzen. Zumal der Gipfel störrisch in den Wolken verharrt. Stattdessen spazieren wir noch ein Stück den Hauptweg weiter, durch den Tongariro-Südkrater und steigen mal die ca. 200m zu dessen Rand auf. Von da sehen wir tatsächlich kurz den Ngauruhoe-Gipfel, auf dem wir gerade gestanden haben. Schöner Anblick. Gut genug, noch mal wiederzukommen.

Na gut, dann guck ich mal kurz raus: Ngauruhoe vom
Tongariro aus gesehen. Aufstiegsroute rechts der Bildmitte.

14.5.14

Saturn hinterm Mond

Heute (nach UTC) gab es eine Okkultation des Saturn. Wenn nicht wieder mal Wolken im Weg gewesen wären, wären Verschwinden und wieder Auftauchen sogar zu sehen gewesen. So war wenige Minuten nach diesem Anblick Schluss, bis auf ein ganz kurzes Sichtbarkeitsfenster eine Saturnbreite vom Mondrand. Es war keine Zeit zum fotografieren, sah aber gut aus. Weil Saturn über 29 Jahre für einen Sonnenumlauf benötigt, hat seine scheinbare Bewegung am Himmel keine Rolle gespielt. Der Mond war's.

Luna und Saturn durch Wolkenschleier 20min vor
Saturns Versteckspiel, 101x


Meine astrologisch gebildeten Nachbarn* wussten Bescheid. Bei Konjunktionen, von denen dies die spezielle Form ist, passiert irgendwas. Besonders wenn Saturn beteiligt ist. Aha. Unbeschreibliches sei da am Wirken, und man sieht ja was in der Welt passiert. Und, come on, Okkultation! Was schon so heißt muss doch gewisse Kräfte haben, deren Vektoren in unerwünschte Richtungen weisen. Nach einem Blick durch den Refraktor war von all dem keine Rede mehr. Da waren plötzlich die Saturnringe, der Mondrand, die Perspektive, die astroNOMischen Zusammenhänge interessanter. Und natürlich der Anblick an sich. Man hatte nämlich bis dato noch nie eine nahe Konjunktion** beobachtet. Jaja die heilende Kraft die durchs Okular kriecht...  

Vom Saturn aus betrachtet sah das Ganze vermutlich so ähnlich wie das hier aus:

NASA
*besonders die Frau
**von SoFis mal abgesehen

7.5.14

Die Königsetappe

Wirft ihre Schatten voraus. Dass gmaps in dem Terrain keinen Stich sieht, wundert mich kein bisschen.

So weich wie die Knie derzeit noch sind, wird das aber nix. Time to harden the fuck up.

Mehr dazu später.


29.4.14

Neumond von der besten Sorte

Heute gab es über der Antarktis eine ringförmige Sonnenfinsternis. Eine besondere, weil es trotz Ringförmigkeit keine Zentrallinie gab. Das kann passieren, wenn der Kern- oder Antikernschatten nur teilweise auf die Erde trifft. Von OZ aus waren partielle Phasen, je südlicher desto mehr Prozent, zu sehen. Aber natürlich, und das war wie immer das Problem, nur wo die Wolken das zuließen. Nachdem die ersten 10 Minuten durch Wolkenschleier eine sehr milchige Sonnenscheibe zusehends angefressener aussah, verschwand das Ganze erstmal hinter der heranziehenden Schlechtwetterfront. Das wars dann, mochte man meinen.

Protuberanzen? Sonst noch Wünsche? Käptn Lunt mit Schwierigkeiten beim Zeigen der Phase der beginnenden partiellen SoFi (geschweige denn H Alpha - Elemente) ca. 12 min. nach dem 1. Kontakt. Spiegelverkehrt - Osten ist links, Süden oben)


Auf der Heimfahrt zeigte sich ein Silberstreif am Horizont, der sich später doch tatsächlich als transparent herausstellte. Ergebnis: weitere 5 Minuten großes SoFi-Kino wenige Momente vor Maximum Eclipse zum Sonnenuntergang (52%).

Manchmal braucht man eben doch die 1/8000 sek. Mit f/22 und ISO 100 kann der Filter wegbleiben.
Danach wurde es subjektiv schneller dunkel als sonst. Woran das wohl lag...

16.4.14

Ma sehn

obs klappt:




Die dazugehörige Totale Mondfinsternis wäre von hier aus zu sehen gewesen, leider hatte Petrus ma wieder was dagegen, wie schon bei der Marsopposition letzte Woche, sowie 9 von 10 möglichen Beobachtungsnächten in den letzten 4 Wochen (Notiz: Bei Gelegenheit Petrus verbleuen, mindestens aber einen viehischen Tritt in den Hintern mit austrainiertem Quadriceps, Bartenden überm Kopf zusammenknoten und Juckpulver hinten in den Kragen schmeißen). So blieb nur ein 5-Minuten-Fenster auf den 50% verfinstersten Mond.


7.4.14

100m and Climbing

Schöne Gras-Downhills am Long Beach. Umherfliegende Schafskötteln tun dem Spaß keinen Abbruch.


19.3.14

RUUUUUUUUUUUUU-LP-S!


Bestimmten Naturereignissen kann man nämlich auf die Sprünge helfen. Das Gelumpe gabs gestern für unglaubliche 66c/l. Es wurden 38 Liter angeschafft, CO2-Fußabdruck hin oder her. Das reicht ne Weile.
Der Limobringer wäre erblasst.
Röhr!

23.2.14

Kp 6: Es begann ohne Warnung

f/1,6; ISO800; 13s
Letzter Mittwoch zwischen Middlemarch und Outram. Schon in der Abenddämmerung war zu sehen dass da was rummacht am Himmel. Das Besondere war diesmal, dass die Rottöne genauso hell waren wie das Grün und extrem gut zu sehen. Das Teleskop ist im Koffer geblieben. Oben Magenta, unten Maungatua, der Airport-Berg.

4.2.14

Flug nach ZQN

Habe den Flug schon oft gemacht, aber nicht mit Blick nach vorne raus wie hier:
Der Berg auf der linken Seite, bei 2:00 bietet Aussicht vom Feinsten.
Schöne Gegend, obwohl Queenstown selbst eher ein Affendorf ist, das mit NZ so gut wie nichts mehr zu tun hat. Wer echtes NZ will und keinen generischen Allerwelts-Fun-Quatsch, ist hier oder vielleicht auch hier, vor allem aber hier besser aufgehoben. Ich meine, Bungy Jumping, Bezahlen, Motorboot und Seilbahn fahren, Bezahlen, Saufen, Bezahlen, Feiern, Bezahlen, keine Kiwis, aber dafür lieber noch was bezahlen - muss ich für sowas wirklich um die halbe Welt fliegen? Ich glaub nich.

27.1.14

Donner und Scoria

Diesen Ort muss man mal genauer beschreiben.
Freitag:
17.00 Uhr
Dienstschluss. war gar nicht schlecht die Woche. Aber jetzt schnell zur Wohnung, den bereits gepackten Rucksack gegriffen. Und dann ab zum Flughafen. Es ist ja alles genau geplant und vorbereitet: 3 Schichten Klamotten, 3 Kameras, Gamaschen, Wollhandschuhe, Mutz. Kein Proviant. Wird alles auf der Nordinsel besorgt. Dadurch keine Tasche einzuchecken. Ist billiger und vor allem schneller. Wenn was nervt nach der Ankunft per Flugzeug, dann das dumme Gewarte am Gepäckband.

19.55 Uhr
Ankunft in Wellington. Das prognostizierte Hoch über der Nordinsel sagt, Ich bin all hier. Kein Problem. Musst nur bis morgen abend hier verweilen, wenns geht. Mietwagen abholen, Vorräte für den Aufstieg besorgen. Dazu ein kleiner Stop in Porirua, 1/2h nördlich von Wellington. Der Mietwagen kostet praktisch nichts. Er soll nach Auckland überführt werden. Passt.
Sonnabend:

0.45 Uhr
Angenehme Anfahrt zur Taranaki-Region. Bin jetzt auf die finale Zufahrt eingebogen, die Egmont Road. Sie führt in den gleichnamigen Nationalpark, der in einem perfekten Kreis um den Berg herum angeordnet ist. Von oben sieht die Begrenzung aus wie mit dem Zirkel gezogen. Vermutlich weil sie mit dem Zirkel gezogen worden ist. Jetzt stehe ich hier, und vor mir, als dunkle Silhouette gegen den Sternhimmel, ein Ungeheuer von einem Berg. Seine Flanken zeigen in einer Symmetrie, Bestimmtheit und Steilheit nach oben, die sofort klar macht: Das ist was ganz Neues hier. Auf meinem Arm sind plötzlich viele kleine Kopien des Berges, da wo die Haare aus der Haut kommen.

Vergeblich zieht das Gehirn die Schubladen auf - diese Landschaftsform ist nirgends gespeichert. Ein Spitzkegel, der in der Ebene steht. Mithin der Prototyp eines Berges. Kein Gemache mit Gebirgsvorland, hintereinander liegenden Höhenzügen, Tälern mit in-gezüchteten Filzhutträgern, versteckten Kleinstaaten oder irgendwelchen Pässen. Hier geht es höhenmäßig direkt zur Sache, und zwar ohne Umwege und genau 1-mal. Bis auf über 2500m. Taranaki überragt seinen nächsten freistehenden Nachbarn, den Pouakai, um 1,1km. Damit ist klar wer hier der Chef ist. Der Fanthams Peak am Südhang ist noch zu klein, um dieses Bild zu stören. Die Aussicht kann kein Mist sein von da oben, denke ich und fahre die letzten Kilometer bis zum Parkplatz.

4.00 Uhr
Egmont Visitors Centre, 985m. Inzwischen ist der Halbmond aufgegangen, fahles Licht auf der Nordseite des Vulkans. Vor einer Stunde kam eine lärmende Studentengruppe angefahren und hat sich mit schepperndem Gelächter auf den Weg nach oben gemacht. Das war der Weckruf: Was ist besser, Aufstehen und hoch und schon weit oben sein wenn die Sonne aufgeht, oder schlaflos im Auto klemmen und auf Erholungseffekte warten, die nicht kommen. Alle Voraussetzungen sind geschaffen für den Aufstieg: Top Wetter, Equipment und Verpflegung vollständig, Beine fit, verbleibender Anreiseweg: 0,0km. Schönes Gefühl, völlig frei entscheiden zu können. Ich beschließe: Es geht los. Ich lasse mir Zeit mit dem Sachen packen. Der Rucksack enthält jetzt auch noch 2kg Mampf in Form von Riegeln und Obst, und 3 x 0,8l Wasser (mit Zitrone und gesüßt mit Stevia -> Pfui Deibel, merken fürs nächste Mal). An der Bergflanke, dort wo nichts mehr wächst, sind ein paar Lichter zu sehen. Dort kennt sich jemand aus.

Ich folge dem beschilderten Summit Track, der perfekt fürs MTB wäre. Ist aber verboten, wie an so viele Orten hier. Urwald links und rechts, dem Geruch nach 500-600m über dem Meeresspiegel. Laut Karte sinds schon 1000. Klar, das hier ist näher am Äquator als Dunedin. Das Mondlicht schält erstarrte Lavaströme aus der Dunkelheit, charakteristisch die senkrechten Stirnflächen. Diese liegen frei, nachdem der davorliegende Dreck wegerodiert worden ist. Die letzte Lava kam oben vor 150 Jahren raus, aber die hier unten ist deutlich älter. Lebhafter Wind, aber (noch) nicht zu kalt. 12°C war die Anzeige am Start. Anstieg mäßig steil.
Den Sternen entgegen. Links oberhalb des Gipfels die Magellanschen Wolken.
5.00 Uhr
Der eigentliche Aufstieg hat begonnen, bei ca. 1500m. "Open scoria" unter den Füßen. Lose Vulkan-schlacke, die die Anstregung verdoppelt. Die Tahurangi Lodge und die Holztreppen aus dem Hongi Valley heraus liegen schon hinter mir, genau wie die Baumgrenze. Links verschmilzt die Milchstraße mit dem ersten Sonnahmd-Dämmerlicht. Kaum zu fassen, das Wetter spielt tatsächlich mit. Das ist nicht selbstverständlich in diesem Sommer 2013/14, der keiner ist. Und dieser Berg ist auf 3 Seiten von Ozean umgeben. Wetterumschwünge, zusammengebraut über der ewig wütenden Tasman-See treffen auf diese Hänge ungebremst und mit tödlicher Gewalt. Diesem Berg begegne ich mit äußerstem Respekt. Zu viele sind seinem Ruf gefolgt und haben das mit dem Leben bezahlt. Hier braucht man kein leichtbekleideter Dummkopf sein, um ernsthafte Probleme zu kriegen. Es ist mir egal ob der Rucksack schwer ist weil vielleicht 2 Klamottenschichten und 50% Essen zu viel drin sind. Im Osten überragen Ruapehu und Tongariro/Ngauruhoe die Horizontlinie. Die 2 anderen hohen Vulkankomplexe der Nordinsel. Die Maori-Folklore weiß, dass Taranaki scharf auf die schicke Pihanga war, Gemahlin in spe des Tongariro. Er unterlag und ging nach Westen, ins selbst gewählte Exil, in den äußersten Zipfel der Insel. Tongariro hatte nichts dagegen. Hau ab du! Und hier ist Taranaki geronnen und wartet, ganz alleine. Aber noch in Sichtweite. Irgendwann wird er explodieren und ein Steingewitter entfesseln. Ich verstehe das. Ich wäre auch nicht einverstanden damit.

Blick Richtung Osten mit Ruapehu und Venus
6.00 Uhr
Das Umland und alles, was Schutz bieten könnte, ist nach unten weggesunken. Hinter und neben mir nur noch freie Höhenluft. Ein bisschen wie wenn einem die Bettdecke weggezogen wurde. Grandiose Farben im Osten, gleich geht die Sonne auf. Vor mir ein versprengter Student. Er hat, warum auch immer, die Gruppe verloren und macht gerade den gleichen Fehler wie ich. Wir verfehlen in unserem Elan die "Eidechse", den Lavastrom, auf dem der offizielle "Weg" in den Krater und von dort auf den Gipfel führt. Das hat was damit zu tun, dass der Hang unter unseren Füßen lebt. Was auf dem losen Scoria-Zeug installiert wird, z.B. Markierungspfähle, wandert langsam nach unten und sammelt sich dort in grotesken Arrangements. Es taugt dann nicht mehr zur Navigation. Statt auf dem Lizard kraxeln wir westlich davon am Krater vorbei. Und noch etwas geschieht jetzt im Westen: Taranaki wirft seinen immensen Schatten auf das Meer. Der Strand ist 30km entfernt, der Schatten reicht deutlich weiter. Geometrische Perfektion. Kamera raus. Der Studi ist schon weiter geklettert. Weiter oben sehe ich ihn wieder, er kommt mir entgegen (??). Hier gehts nicht weiter, zu steil. Mach keinen Scheiß hier Mann. Und überhaupt, kurze Hosen! Gut dass ich aus dem Alter raus bin. Na wenigstens haste keine Badelatschen (Jandals) an, wie sonst alle hier in dem Land. Wir gehen ein Stück seitwärts, dann wieder aufwärts. So ists schon besser.

Großer Berg, langer Schatten. Nicht immer ist es kompliziert.
Zur Erinnerung: wir haben Januar!
6.50 Uhr
Der Hang vor mir hört auf. 2.518 Meter. Der unendliche Blick hinter mir schließt sich zu einem 360°-Panorama. Davon fast 3/4 Meer. Die Perspektive ist aberwitzig. Sie hat alles vom Flug und nichts vom Boden. Es gibt, besonders bei freistehenden Bergen, einen Punkt, ab dem fühlt man sich völlig abgekoppelt vom Erdboden. Alles andere ist so unglaublich weit unten, dass man keinen Bezug mehr dazu hat. Heute gilt das sogar für die Wolken. Deren Obergrenze ist 1km unter mir. Es ist windstill, absolute Ruhe. Da ist es wieder das Film-Problem. Wo ist nur der Kippschalter, den man umlegen muss von "Film" auf "Realität, hiersein". Ich werde es versuchen. Ich bleibe den ganzen Tag hier, wenns sein muss.

Auch der Pouakai wirft Schatten. Aber keine so großen. Er hat nur knappes Riesengebirgs-Format. Er war mal so groß wie der Taranaki heute. Aber das ist lange her.
Südosten: Shark's Tooth, Kraterrand, South Taranaki
Westen: Cape Egmont
11.00 Uhr
Hinter dem Rand des Gipfelplateaus ungeheuerlicher Radau, minutenlang. Eine paar Damen lösen ein Problem, was unsereinem an einem solchen Ort, wo das baumfreie Terrain zwischen 45° und senkrecht wechselt, vermutlich deutlich leichter fällt. Ein paar Meter absteigen, Blick zum Horizont und... 

12.00 Uhr
Die Wolken werden dichter, der Wind stärker. Die Sonne brennt vom wolkenlosen Himmel. Auf einem normalen Berg würden die Wolken auf der Luv-Seite langsam hochgekrochen kommen, um irgendwann über den Gipfel zu fließen. Nicht hier. Wie gesagt, abgekoppelt vom Erdboden. Ruapehu und Ngauruhoe haben das Privileg ebenfalls und sind über 100km entfernt klar zu sehen. Es sieht näher aus.
Hinter dem Kraterrand Panitahi (Fanthams Peak), 1966m , Taranakis geologischer Nachfolger. Bildmitte: Symes Hut, karg aber exklusiv zum Übernachten
Die famose Besteigung des Haifischzahns. Am Horizont, v.l.: Tongariro, Ngauruhoe, Ruapehu

13.30 Uhr
Ich habe es geschafft. Ich konnte mich losreißen und den Abstieg beginnen. Das war gar nicht so einfach. Immer wenn man den Blick abwendet, z.B. um am Rucksack zu hantieren und wieder aufschaut, kann man es nicht fassen, dieses Panorama. Man fühlt sich wie eine Sonde am Wetterballon. Man setzt sich wieder hin und glotzt bis der Zwischenspeicher wieder voll ist und man weggucken kann. So einen Moment habe ich genutzt. Jetzt stehe ich im Krater. Ein schneegefülltes Tal, an 2 Seiten offen. Dort ist zuletzt die Lava ausgebrochen und den Hang runtergeflossen. Heute fließt dort nur Schnee raus. Verstreute Felsbrocken, die oben auf dem Firn liegen, bezeugen dass das kein sicherer Ort ist hier. Ringsherum klirrt, knackt und poltert es. Die Sonne lässt das Eis bröckeln, und das Eis nimmt Steine mit. Gegenüber dem Gipfel, am Rand des Kraters, ist ein Felsenzahn, "Shark´s Tooth". Sehr dünn, steil und ausgesetzt. Sieht einladend aus, einige Besucher lassen sich locken. Ich lass es sein. Ist bestimmt schön auf der Zacke, aber der Hai-Zahn ist schon ganz schön bröselig. Eine zähe Robbe lässt sich damit wahrscheinlich nicht mehr zerbeißen.

Blick aus dem Krater Richtung New Plymouth, dem neuseeländischen Neapel, wo es vermutlich nicht so sonnig ist. Die Kerbe in der Wand rechts enthält den Rückweg.
Die haben noch was vor...
Zu steil fürs MTB (zumindest hochzu)

14.30 Uhr
Baumgrenze wieder erreicht. Der offizielle Weg aus dem Krater war, nun ja, interessant. Ordentliche Tiefblicke. In puncto Sicherheit schien mir der unfreiwillige Aufstiegsweg besser. Der Geröllhang hat für Riesenspaß gesorgt, so müssen sich 7-Meilen-Stiefel anfühlen. 500m abgestiegen in ein paar Minuten.
Durchatmen .... und .... Losrennen.
15.00 Uhr
Parkplatz. Der Blick zurück: War ich da wirklich gerade oben? Ganz schön warm hier. Die Beine sagen: Es reicht. Ich setze die Sonnenbrille ab. Trotz massiven Sonnenschutzes hat die Haut durchaus was abgekriegt, nur der Bereich um die Augen nicht. Aus dem Rückspiegel guckt mich ein invertierter Panda an.


Irgendein Bergsteiger wurde mal gefragt, warum er soundso einen Berg besteigen wolle. Die Antwort war, "Weil er da ist". Ich bin kein Bergsteiger. Für mich ist das deshalb Quatsch. Es ist die Aussicht. Punktum.